Vermisstenforum (http://www.vksvg.de/index.php)
- Der 2. Weltkrieg (http://www.vksvg.de/board.php?boardid=17)
-- Erzählungen vom Krieg (http://www.vksvg.de/thread.php?threadid=4611)


Geschrieben von Imenothep am 30.12.2008 um 16:02:

  Erzählungen vom Krieg

hallo liebe forumsgemeinde...

ich habe heute schon fast den ganzen tag mich mit dem forum beschäftigt, und bin richtig an den bildschirm gefesselt, wenn ich die vermisstmeldungen gelesen habe...

direkt betrifft es mich zum glück nicht, dass ich einen direkten verwanten von mir durch kriegserlebnisse verloren habe, da ich aus der schweiz (basel) komme..

was mich persönlich wunder nimmt ist, ob ihr "zu hause" offen über den krieg sprechen könnt/konntet, da vermutlich fast jeder in deutschland in irgendeiner form vom krieg betroffen war und jemand von der familie da gefallen ist oder mit glück überlebte...

ich habe paar freunde aus deutschland und nur ganz wenige wissen z.B. von ihrem grossvater...es wurde halt nie mit ihnen darüber gesprochen...es hiess dann einfach immer, dass er im krieg gefallen sei...

natürlich kann ich es absolut nachvollziehen, dass dies traumatisierende erlebnisse waren, die man vielleicht auch gar nicht mehr durch erzählungen nochmals erleben möchte...

wir schweizer waren ja nicht wirklich direkt involviert, allerdings diente mein opa wärend dem krieg im aktivdienst an der grenze und hat mir, als ich noch kind war, immer erzählt, was er da so erlebt hat...

auch dass sich die schweizer soldaten in heuwagen über die grenze "schmuggeln" liessen (natürlich nicht in uniform), damit sie sich mit ihren deutschen freunden wieder mal treffen konnten...
da waren auch erzählungen dabei, die nicht sehr schön waren.

ist es evtl. immer noch ein gefühl der scham, dass man nicht über den krieg spricht?



Geschrieben von Imkermichel am 02.01.2009 um 10:03:

 

Hallo Kollege aus der Schweiz,

ich bin an dieses (und andere) Foren gekommen, weil mich genau dieses Problem auch beschäftigt.
Die beiden Großväter meiner Ehefrau sind in dem unsäglichen Krieg gefallen.
Von einem weiss man wenigstens Sterbedatum und -ort. Der andere Großvater galt als "Vermisst im Osten" und wurde in den 50er Jahren für tot erklärt.
Diese beiden Männer sind in den Köpfen der Hinterbliebenen (meiner Schwiegermutter und meinem Schwiegervater) ein absolutes Tabu.
Ich weiss nicht, weshalb.
Vielleicht, weil man sich als Kind schämte, ohne Vater aufgewachsen zu sein?
Ich weiss es nicht.
Ich wollte für beide Großväter eine Nachsuche in den Militärarchiven anleiern, es wurde mir von den Eltern meiner Frau nicht erlaubt!
"Lass die Toten ruhen"
Das sind die stereotypen Standardantworten. Ich weiss nicht, weshalb.
Aber irgendwann werde ich weitersuchen.

Mit freundlichen Grüßen



Geschrieben von bega am 06.11.2013 um 15:32:

 

In seinem letzten Lebensjahr habe ich von meinem Schwiegervater endlich erfahren, warum er zeitlebens nichts rotes gegessen hat.
Es könnten Tomaten sein ..........

Er war in Italien in Gefangenschaft ..........

Ob es ein Gelübbde war, weiß ich nicht,
aber er hat nach seinem Heimkommen nie wieder welche zu sich genommen.


Was eigentlich auch eher ein besondere Fügung war.

In seiner Gefangenschaft hat ein amerikanischer Lieut. Colonel USAF per Zufall den Namen und den Wohnort gelesen.

So fand die Familie wieder zusammen.
Er war ein direkter Nachkomme des 1853 nach Amerika ausgewanderten Urahn der bayrischen Herkunftsfamilie.
Wohnhaft noch immer im gleichen Stammhaus.

Ich denke mal, diese Begegnung war nicht von Nachteil und der Auslöser für weitere Kontakte über Generationen.

Auch das sind Kriegserlebnisse, aber solche, über die man schon immer gerne berichtete,
und das mit einer gewissen Ehrfurcht vor der Fügung.



Geschrieben von Florek am 21.08.2014 um 17:39:

 

Hallo Imenothep,
Hallo Forenmitglieder,

wahrscheinlich gibt es über diese Kriegserzählungen sehr unterschiedliche Erfahrungen in den verschiedenen Familien. Jeder Mensch ist unterschiedlich und geht daher anders mit Kriegserlebnissen und Traumatas um. So kenne ich Familien in denen die Kriegsgeneration lange über ihre persönlichen Erlebnisse schwieg und wiederum andere in denen das oft, manchmal zu oft, besprochen wurde. Beide Umgangsformen können die Kriegstraumatas bis in die zweite und sogar dritte Generations tragen.

In meiner Familie jedenfalls war das Thema "Zweiter Weltkrieg" eigentlich immer präsent, bis heute. Das mag auch daran gelegen haben, dass meine beiden Großväter in verfeindeten Armeen gekämpft. Der eine in der Wehrmacht und der andere in der polnischen Armee. Auch in der polnischen und der deutsche Familie gab es jeweils ihre andere Kriegserlebnisse und Traumatas hatten. Vermutlich wurde gerade daher dieser Krieg bei uns in der Familie immer thematisiert (aber niemals im Streit, nicht mal kontrovers. Es gab halt immer einen eher polnischen und eher einen deutschen Blickwinkel, aber im Ende ähnelt sich die Traumatas der Menschen).

Mein deutscher Großvater wurde sein ganzes Leben lang immer wieder von Albträumen vom Krieg geplagt und weil er auf Heimaturlaub nur knapp einen Bombenangriff überlebte, feierte er immer zweimal im Jahr Geburtstag. Mein polnischer Großvater wurde wohl über seine Kriegserlebnisse zum Alkoholiker und im beisein seiner Kinder sprach er dann ständig vom Krieg. Die Kinder beider Großeltern litten gleichermaßen darunter und selbst für mich ist dieser Krieg ein Thema das mich auf irgendeine Weise tagtäglich begleitet und beschäftigt.



Geschrieben von Wanda am 14.10.2014 um 15:09:

 

Hallo Ihr,

Euer Thema ist das Thema überhaupt.
Bei meinen Recherchen ausgehend von beiden gefallenen Großvätern war ich quasi erst einmal entsetzt von den unzähligen Suchanfragen in vielen Foren. Die übernächste Generation, also die Enkel fangen nun an, dank Internet ist es einfacher, zu suchen und zu erzählen. Die unmittelbar Betroffenen schwiegen meist.

Ich denke darüber auch immer wieder nach, zumal die Folgen bis in unsere Generation hineinragen. Meine Eltern, damals noch Kleinkinder, aus Mähren und Pommern, hatten nichts mehr nach der Flucht. In Flüchtlingslagern wurden notdürftig Schulen errichtet, so dass eine ausreichende Schulbildung bei einem 4jährigen Lageraufenthalt in Dänemark nicht gegeben war, was war die Folge, es wurde ein Beruf gewählt, um Brot zu verdienen. Da ging es nicht um Bildung. Dies wirkte sich dann wieder auf die Folgegeneration aus. Wenn man alles insgesamt betrachtet, hat die Generation (geb. 1939-1947) Unglaubliches geleistet. Die vielen Eindrücke, Kriegsgräuel, die sie als Kinder erlebten kommen nun nach und nach heraus, man merkt sie an diesen Eigenarten, die bestehen. Bestes Beispiel: Diese Generation hat immer genügend Vorräte im Haus und gerade die Mütter, Großmütter verteilen gerne Lebensmittel bei Besuchen. Auch ist mir aufgefallen, dass eine ganze Zeit lang, über "Nazis" gar nicht geredet werden wollte. In letzter Zeit wird es besser.

Wie schön, dass man später geboren wurde.


Forensoftware: Burning Board 2.3.6, entwickelt von WoltLab GmbH