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Geschrieben von Benny am 12.02.2009 um 14:19:

  Kriegstote auf dem Gebiet der ehemaligen DDR

Hallo,

da es in der folgenden Abhandlung um Kriegstote, vermisste und gefallene Personen geht,denke ich, dass es hier am besten aufgehoben ist.

Der Umgang mit Kriegstoten und Kriegsgräbern auf dem Gebiet der ehemaligen DDR vom Ende des Krieges bis zur Wiedervereinigung

Vorwort:
Diese Abhandlung geht nur auf Kriegsgräber auf dem Territorium der im Potsdamer Abkommen festgelegten Sowjetischen Besatzungszone und der daraus entstandenen ehemaligen DDR ein.

Der Vorstoß der Roten Armee 1945 auf das Gebiet westlich der Oder/Neisse-Linie war, wie größtenteils auch der vorherige Vormarsch auf dem ehemaligen Reichsgebiet, ein für beide Seiten sehr verlustreicher Kampf. Die Ausweglosigkeit, Angst vor russischer Gefangenschaft, aber auch das Verhalten vieler russischer Soldaten bei der Eroberung deutscher Städte und Dörfer hatten dazu geführt, dass sich hier allgemein ein sehr starker Widerstand, anders als an der Westfront, entwickelte, der im letztendlich auch zu sehr hohen Verlusten der Roten Armee führte, während im Westen die Alliierten im großen und ganzen vergleichsweise relativ unspektakulär bis zur Elbe vordringen konnten.

Dieser Aderlass der Roten Armee in den letzten Kriegstagen ist heute mit dafür verantwortlich, dass sich noch immer zigtausende unbekannte Kriegsgräber auf dem Gebiet der ehemaligen DDR befinden, denn die daraus entstandene Verbitterung über die eigenen Verluste kann auch mit als Grundlage des sowjetischen Handeln nach Ende der Kämpfe hinsichtlich deutscher Kriegstoter betrachtet werden.
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Als nach Ende der Kämpfe die oftmals geflüchtete bzw. evakuierte Zivilbevölkerung wieder in ihre Wohnorte zurückkehrten, waren die Leichen der toten deutschen Soldaten meist noch nicht bestattet. In vielen Gegenden mussten auf russischen Befehl, nicht aus Gründen der Humanität, sondern eher aufgrund der riesigen Angst der Sowjets vor Seuchen, umgehend deutsche Bestattungs-Kommandos aus Zivilisten gebildet werden. Oft war es aber auch so, dass natürlich die deutsche Bevölkerung auch ohne Befehl daran ging, diese Soldaten und auch Zivilisten zu bergen und zu bestatten.

Anders als im westalliierten Einflussbereich war es jedoch im Allgemeinen strikt untersagt, den Gefallenen irgendwelche persönlichen Dinge abzunehmen, die Erkennungsmarken zu registrieren und die Gefallenen auf die Friedhöfe zu verbringen.
Es existieren Berichte von Zeitzeugen, nach denen zwar die Erkennungsmarken, Soldbücher etc. eingesammelt werden durften, diese Dinge dann aber den russischen Machthabern übergeben werden mussten. Dort wurden sie dann vernichtet.
Hinzu kam sehr oft die Schwierigkeit, dass diese Toten schon wochenlang herumlagen und sich in einen entsprechenden Zustand der Verwesung, teilweise von Wildtieren und herumstreunenden Hunden angefressen, befanden, der eine Durchsuchung fast unmöglich machte.

Die Toten mussten, sofern abseits der Ortschaften liegend, meist an Ort und Stelle begraben werden. Oft nutzte man dafür die vorhandenen militärischen Stellungen wie Schützengräben, Schützenlöcher und natürlich auch die vielen Granat- und Bombentrichter.

Erst ab Anfang des Jahres 1947 änderte sich das etwas.
Man begann auch, solche Gräber auf die Friedhöfe umzubetten. Allerdings war es jetzt oft so, dass gerade diese Umbettungen nicht unbedingt mit dem entsprechenden Sachverstand durchgeführt wurden. Der Hauptmangel war, dass man kaum Mühe darauf verwendete, evtl. die Identität der Toten irgendwie zu ermitteln, es wurde schlampig umgebettet, Erkennungsmarken blieben liegen usw. Dieser Mangel nahm, nach Gründung der DDR 1949, sogar noch zu.

Auf Friedhöfen waren diese Gräber dann namenlos.

Es gibt einen Fall, wo bei der Umbettung eines Dorffriedhofes nach der Wiedervereinigung aufgrund eines nahenden Braunkohlentagebaus 8 von insgesamt 22 bisher namenlosen Kriegstoten wegen der dabei gefundenen Erkennungsmarken doch noch identifiziert werden konnten.
Auch kam es nachweislich vor, dass Massengräber / Gräberfelder umgesetzt wurden, ohne allerdings die sterblichen Überreste mitzunehmen.

Es gibt einen bewiesenen Fall im ehemaligen Bezirk Cottbus, in dem man sogar so weit ging, ein ehemaliges im Wald liegendes Massengrab deutscher Soldaten zu räumen und diese sterblichen Überreste dann auf einem, wie vielerorts entstandenen sogenannten „Platz der Befreiung“ als russische Soldaten wieder einzubetten.

Auch wurden trotz nachweislich vorhandener Namenslisten, Gräber von umgebetteten Soldaten oft als „unbekannt“ gekennzeichnet. Auch hierfür gibt es ein Beispiel im Bezirk Cottbus.

Insgesamt gesehen lässt das mit ziemlicher Sicherheit vermuten, dass bei vielen der namenlos bestatteten Kriegstoten auf ostdeutschen Friedhöfen bei einer Nachsuche eine namentliche Identität ermittelt werden könnte.

Ab 1960/1961 ließ die DDR-Führung die Umbettung und Identifizierung von Wehrmachtsangehörigen komplett stoppen. Die toten deutschen Soldaten passten nicht ins verordnete Geschichtsbild dieses Staates, der sich einseitig auf den antifaschistischen Widerstand berief und die Wehrmacht allenfalls mit Nazibarbarei und Kriegsverbrechen in Verbindung brachte.

Vorhandene Kriegsgräber wurden nun teilweise sogar eingeebnet.
Mir liegen unter anderem Berichte ehemaliger Grenzsoldaten der DDR vor, die im Jahr 1971 noch vorhandene Kriegsgräber entlang der Oder (Bereich südlich Frankfurt /Oder) einebnen mussten.

Der Umgang mit deutschen Kriegstoten und die Pflege von Kriegsgräbern waren in der DDR von offizieller Seite nicht mehr erwünscht. Trotzdem wurde der Volksbund in der dort aktiv, wenngleich nicht unter seinem Namen.
Unter dem Dach der evangelischen Kirche legten ein Netz so genannter Vertrauenspfarrer und die Friedhofsbrigade im Oderbruch die Grundlagen für eine dem humanitären Völkerrecht angemessene Kriegsgräberfürsorge. Pfarrer Ernst Teichmann (1906 – 1983) setzte sich unter schwierigen Bedingungen für die Zubettung mehrerer tausend Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft auf dem Waldfriedhof in Halbe ein und organisierte die Suche nach Angehörigen und deren Benachrichtigung.
Ab 1967 arbeitete Erwin Kowalke, heute der bekannteste Umbetter überhaupt, und seine Frau im Pflegedienst mit. Er war auch der erste ostdeutsche Mitarbeiter des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, erhielt aber sein Gehalt dafür in Ostmark.
Aber er führte auch Umbettungen durch, die zwar offiziell verboten, aber oft auch stillschweigend geduldet wurden.
Auf geheimen Wegen wanderten die Nummern der dabei aufgefundenen Erkennungsmarken Richtung Westen, im Gegenzug erfuhr Kowalke die Namen der Toten.

Arbeitete anfangs der Suchdienst „Ost“ des DRK noch eng mit den westlichen Stellen zusammen, so änderte sich auch das mit Beginn des „Kalten Krieges“. Dieser Suchdienst war übrigens bis zum Ende der DDR der einzige Ansprechpartner für Bürger dieses Staates hinsichtlich Suchanfragen.
Eine Zusammenarbeit mit den westlichen Behörden, auch und gerade mit der Wast, gab es kaum noch, es wird sogar berichtet, dass mit entsprechenden russischen Organisationen ein besserer Kontakt möglich war als zu den Behörden in der DDR.


Fazit: Hätte man zu Zeiten des Bestehens der DDR eine unpolitische, humanitäre, entsprechende Arbeitsweise hinsichtlich der Kriegsgräber in diesem Land gehabt, wäre heute die Lage eine andere. Auch gerade hinsichtlich der Angehörigen dieser Kriegstoten, deren Identitäten dadurch verloren gingen bzw. gehen, ist es als schwarzes Blatt in die Geschichte dieses ehemaligen deutschen Staates eingegangen.

Es ist heute in der Hand der Bundesregierung und den Behörden in den nach der Wiedervereinigung neu entstandenen Bundesländern, hier zu versuchen zu retten, was zu retten ist.



Geschrieben von Thomas Gruber am 08.03.2009 um 19:24:

 

Hallo Benny,

in jenen Buch wird auch sehr gut der Umgang mit Kriegstote und Kriegsgräber
zwischen Oderbruch und Spree abgehandelt.

Ein Unbekannter Kamerad
Deutsche Kriegsgräberstätten zwischen Oderbruch und Spree

Gerald Ramm
P&R Verlag
Woltersdorf/Schleuse
1993 - 128 Seiten, kostete damals noch 139 Schilling

Über 40 Jahre waren deutsche Kriegsgräber in der DDR ein Tabuthema. Jetzt erst - nach der politischen Wende - ist eine Aufarbeitung möglich. Mit diesem Buch wird erstmals eine umfassende Bestandsaufnahme der lezten noch vorhandenen Ruhestätten deutscher Gefallener zwischen Oderbruch und Spree vorgenommen. Das Buch vermittelt einen Eindruck von der Schwierigkeiten bei der Umbettung und der Identifierung der Kriegsgefallenen.

LG
Thomas



Geschrieben von Jabo am 12.06.2009 um 23:22:

 

Hallo,

eine sehr inressante Themaik, über die ich mir als "Wessi" bisher keine Gedanken gemacht habe, aber durch Berichte von und über Erwin Kowalke erahnen konnte wie in der DDR mit den Kriegstoten umgegangen wurde.
Wie und wo wurden die gefundene, bzw später Umgebetteten beurkundet?

Wie wurde mit westalliierten Kriegstoten (Flugzeugbesatzungen z.B.)verfahren ?

Viele Grüße

Jens-Michael



Geschrieben von Rich_Sky am 08.12.2010 um 23:22:

 

Super Beitrag!

Vielen Dank dafür. Bin neu hier und eigentlich auch ein Lesemuffel, ader was hier (im gesamten Forum) dargeboten wird, liest sich wie ein spannendster Kurzroman!

Hierzu darf noch erwähnt werden, dass zu Zeiten des Warschauer Paktes, ostwerts der Oder/Neisse Grenze es kaum besser mit diesem Thema umgegangen ist...

Lieben Grüße,
Richard



Geschrieben von stefan_reuter am 09.12.2010 um 11:48:

 

Hallo Benny,

das ist ein sehr interessanter Beitrag - stammen die Ausführungen aus Deiner Feder oder aus einer Veröffentlichung?

Gruß, Stefan


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